Thüringer Landesregierung rudert nach Kürzung der Vergütung für Rechtsreferendare zurück

 
In unserem Artikel vom 11.11.2015 hatten wir seinerzeit die Kürzung der Vergütung der Rechtsreferendare und die Abschaffung des Beamtenstatus in Thüringen kritisiert. (⇒Haushaltskonsolidierung auf Kosten der Rechtsreferendare?)

Durch Einführung des Gesetzes zur Änderung der Rechtsverhältnisse im juristischen Vorbereitungsdienst, wurde die Vergütung für Rechtsreferendare drastisch gekürzt und der Beamtenstatus abgeschafft. Nachdem die Bewerberzahlen in der Folge komplett eingebrochen sind, rudert die rot-rot-grüne Landesregierung nun zurück.

Historie

Thüringen war in der Vergangenheit für den juristischen Nachwuchs durchaus attraktiv. Das Land war bei der Unterhaltsbeihilfe (Vergütung der Rechtsreferendare) im bundesweiten Vergleich auf den vorderen Plätzen angesiedelt und bot den Rechtsreferendaren den Beamtenstatus sogar exklusiv. Dieser Umstand unterstrich den hohen Stellenwert der rechtswissenschaftlichen Lehre in Thüringen, die ihrerseits in ganz Deutschland einen guten Ruf genießt.
Jene Aspekte, die Thüringen im bundesweiten Vergleich für den juristischen Nachwuchs attraktiv machten, wurden von der rot-rot-grünen Landesregierung wegen kaum nennenswerten Einsparungsplänen aufgegeben. Der Beamtenstatus wurde abgeschafft und der Bruttoverdienst von monatlich 1300€ auf 1100€ gesenkt. Angesichts steigender Lebenshaltungskosten und steter Inflation eine Entwicklung in die falsche Richtung. Die Rechtsreferendare erhalten nunmehr knapp 850€ netto und liegen damit unterhalb der Armutsgrenze.

Die Folgen derartig kurzsichtiger Politik waren absehbar.

Rechtsreferendare strafen Politik ab

Wie der Präsident des Thüringer Oberlandesgerichts mitteilte, sind die Zahlen der Bewerber drastisch eingebrochen. Zum Einstellungstermin 2. Mai konnten lediglich 27 Bewerber eingestellt werden. In der Vergangenheit sind es vergleichsweise mitunter mehr als 100 Bewerber gewesen.
Dieser Umstand ist vor allem aufgrund der demographischen Entwicklung beachtlich, da dem Land Thüringen mittelfristig ein Umbruch in der Justiz bevorsteht. Eine Vielzahl an Richtern wird nahezu zeitgleich in den Ruhestand eintreten und damit einen hohen Bedarf an zu besetzenden Stellen hervorrufen, der mitnichten der Zahl der in Frage kommenden Absolventen gegenübersteht. Um die sodann verfügbaren Stellen zu besetzen, braucht das Land viele gut ausgebildete Juristen. Aufgrund der nicht ausgeglichenen Alterspyramide in Thüringen, erstreckt sich diese Problematik jedoch nicht nur auf das Richteramt, sondern betrifft ebenso die Verwaltung, die Politik und die freie Wirtschaft.

Landesregierung versucht den Schaden zu regulieren

Der sofortige Einbruch der Bewerberzahlen hat – nicht zuletzt durch die öffentliche Kritik – ein Umdenken in der Politik bewirkt. Die Vergütung der Rechtsreferendare wird von monatlich 1100€ auf 1250€ angehoben. Der Beamtenstatus kommt jedoch nicht zurück.

Evaluation und Prognose

Die Gesamtsituation ist damit weiterhin deutlich schlechter als vor der Einführung des Gesetzes zur Änderung der Rechtsverhältnisse im juristischen Vorbereitungsdienst. Es ist somit fraglich, ob das Land die massenhafte Abwanderung gut ausgebildeter Absolventen durch eine geringfügige Bruttoverdienstkorrektur aufhalten kann. Thüringen kann den Absolventen nicht die Arbeitsmarktperspektiven anderer Bundesländer bieten, da hierzulande deutlich weniger attraktive Arbeitgeber (z.B. Großkanzleien) vorhanden sind und auch die Richterbesoldung unter derer vieler anderer Bundesländer liegt. Da sich die wirtschaftliche Struktur eines Landes nicht über Nacht ändert, hatte man durch eine überdurchschnittliche Vergütung entsprechende finanzielle Anreize geschaffen, um trotz der vergleichsweise schlechteren Arbeitsmarktaussichten genügend Nachwuchsjuristen im Land zu halten. Es war ein Fehler, diese solide Position leichtfertig aufzugeben.

Die Erhöhung des Bruttoverdienstes ist im Ergebnis als ein erster Schritt zu werten. Um der Abwanderung entgegenzutreten, sollte jedoch zumindest eine Rückkehr zur Ausgangssituation – inklusive inflationsbedingter Anpassung – geboten sein.