Das Jahresende naht und für viele Menschen ist das der Zeitpunkt das Jahr einmal Revue passieren zu lassen. 2022 brachte für die meisten Investoren im Kryptospace vermutlich vor allem eines: Schmerz lehrreiche Erfahrungen.

Nach dem Bullenmarkt in 2021 schlugen die Bären zurück und dominierten übergeordnet das gesamte Jahr 2022. Aus steuerrechtlicher Sicht eröffnet diese Sachlage in einigen Fällen jedoch zumindest die Möglichkeit einer „Schadensbegrenzung“.

1. Kryptowährungen und NFT im Privatvermögen

1.1 Gestaltung durch Verlustrücktrag

Gestaltungstechnisch kann für viele Investoren die Kenntnis über die Verlustrealisierung ein sehr aktuelles Thema sein, denn sollte man in 2021 höhere Gewinne und in 2022 Verluste aus Geschäften mit Kryptoassets (z.B. Handel) erzielt haben, kann es je nach Einzelfall sinnvoll sein, Verluste aus 2022 nach 2021 zurückzutragen und dort mit den steuerpflichtigen Gewinnen zu verrechnen.

Ergebnis: die Verluste aus 2022 mindern bei entsprechenden Fallkonstellationen zumindest die Steuerlast für 2021.

Das ist legal, kann die Liquidität im Bärenmarkt schonen und sollte daher jedem Steuerpflichtigen in Deutschland mit Kryptowährungen oder NFT im Portfolio bewusst sein.

1.2 Gesetzliche Grundlage

Für den Handel mit Kryptoassets oder NFT im Privatvermögen: § 23 Abs. 3 S. 8 EStG i.V.m. § 10d EStG.

Hinsichtlich der ertragsteuerlichen Behandlung von NFT hat sich die Finanzverwaltung noch nicht positioniert – es ist derzeitigem Stand jedoch davon auszugehen, dass eine analoge Behandlung erfolgt.

Für Verluste aus dem Staking, Lending, oder dem (noch der privaten Vermögensverwaltung zuzurechnendem) Mining/Betrieb von Masternodes: § 22 Nr. 3 S. 4 EStG i.V.m. § 10d EStG.

1.3 Wie funktioniert der Verlustrücktrag?

Der Verlustrücktrag kann im Rahmen der Einkommensteuererklärung des Verlustjahres beantragt werden. Die Verluste müssen hierfür im entsprechenden Jahr realisiert werden, da ein reiner „Buchverlust“ für Kryptoassets im Privatvermögen nicht genügt.

1.3.1 Haltefrist beachten!

Entscheidend für die Verlustrealisierung: sie funktioniert analog der Steuerfreiheit der Gewinne; es werden lediglich Verluste berücksichtigt, die innerhalb der Haltefrist (1 Jahr) des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG realisiert worden sind. Liegen zwischen Anschaffung und Veräußerung mehr als 1 Jahr, sind sowohl Gewinne als auch Verluste steuerlich nicht zu berücksichtigen.

1.3.2 Gibt es Begrenzungen des Verlustrücktrages?

Der Verlustrücktrag ist gemäß § 10d Abs. 1 EStG auf 1 Mio EUR (bei zusammenveranlagten Ehegatten 2 Mio Euro) begrenzt.

1.3.3 Wie weit können Verluste zurückgetragen werden?

Seit dem Veranlagungszeitraum 2022 wurde der Verlustrücktrag nach § 10d Abs. 1 S. 2 EStG durch die nachstehende Regelung grundsätzlich von 1 Jahr auf 2 Jahre erweitert. Diese findet jedoch aufgrund des lex specialis Grundsatzes auf Kryptoassets und NFT im Privatvermögen nur eingeschränkt Anwendung.

In der neuen Fassung besagt der Gesetzestext des § 10d Abs. 1 S. 2 EStG:

„Soweit ein Ausgleich der negativen Einkünfte nach Satz 1 nicht möglich ist, sind diese vom Gesamtbetrag der Einkünfte des zweiten dem Veranlagungszeitraum vorangegangenen Veranlagungszeitraums […] abzuziehen.“

(Satz 1 bezieht sich in diesem Fall auf den Verlustrücktrag ins Vorjahr.)

Im Ergebnis würde damit zuerst ein Rücktrag in das Vorjahr erfolgen und lediglich der dort nicht ausgeschöpfte Betrag wäre dann in das Vorvorjahr zurückzutragen.

Einschränkung: Die u.a. für Kryptowährungen und NFT (im Privatvermögen) relevanten Paragraphen § 23 Abs. 3 S. 8 EStG und § 22 Nr. 3 S. 4 EStG grenzen den Verlustrücktrag auf den unmittelbar vorangegangen Veranlagungszeitraum ein und haben aufgrund des lex specialis Grundsatzes Vorrang. Für Kryptoassets und NFT im Privatvermögen bleibt es damit beim einjährigen Verlustrücktrag.

1.4 Wie erfolgt die Verlustverrechnung?

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Beachtung der eingeschränkten Verlustverrechnung nach § 23 Abs. 3 S. 7 EStG. Das bedeutet, dass Verluste aus dem Handel mit Kryptowährungen oder NFT im Privatvermögen nur innerhalb der sogenannten „Privaten Veräußerungsgeschäfte“ verrechnet werden können (z.B. mit Gewinnen aus dem Handel mit Kryptowährungen, aber auch NFT). Eine Verrechnung mit Gewinnen oder Überschüssen aus anderen Einkunftsarten (z.B. Vermietung und Verpachtung oder nichtselbständige Einkünfte), aber auch insbesondere aus dem Staking, Lending oder Margin Trading ist nicht möglich!

Für Verluste im Rahmen des Staking, Lending, oder dem (noch der privaten Vermögensverwaltung zuzurechnendem) Mining/Betrieb von Masternodes beinhaltet § 22 Nr. 3 S. 3 EStG eine identische Regelung.

1.5 Was passiert wenn ein Verlustüberhang verbleibt?

Verluste die nicht zurückgetragen oder verrechnet werden können sind gemäß § 23 Abs. 3 S. 8 HS. 2 EStG i.V.m. § 10d Abs. 4 EStG bzw. § 22 Nr. 3 S. 4 EStG i.V.m. § 10d Abs. 4 EStG einheitlich und gesondert festzustellen und stehen für die Folgejahre zur Verfügung. Neben dem Einkommensteuerbescheid ergeht dann ein zusätzlicher Verlustfeststellungsbescheid, der die Höhe des Verlusts zum 31.12. des jeweiligen Jahres ausweist.

2. Kryptowährungen und NFT im Betriebsvermögen

2.1 Gestaltung durch Verlustrücktrag

Der Verlustrücktrag ist auch im Betriebsvermögen möglich. Die in Punkt 1.1 getroffenen Aussagen gelten hier analog.

Ausnahme: das Gewerbesteuergesetz kennt zwar den Verlustvortrag, jedoch keinen Verlustrücktrag! Die nachstehenden Ausführungen gelten daher nicht für die Gewerbesteuer.

2.2 Gesetzliche Grundlage

Für Kryptoassets oder NFT im Betriebsvermögen: § 10d EStG

Dies gilt über § 8 Abs. 1 KStG auch für die Körperschaftsteuer.

Für die Gewerbesteuer greift § 10a GewStG als lex specialis.

2.3 Wie funktioniert der Verlustrücktrag?

Wie im Privatvermögen müssen die Verluste realisiert werden und können im Falle eines Gesamtverlusts dann auf Antrag zurückgetragen werden. Hervorzuheben ist hier, dass die Verlustverrechnung im Betriebsvermögen deutlich flexibler ist, sodass z.B. Handelsverluste aus Kryptowährungen und NFT auch mit sonstigen Betriebseinnahmen verrechnet werden können (näheres dazu unter Punkt 2.4).

Darüber hinaus sind aber auch Teilwertabschreibungen denkbar, die keine vorherige Veräußerung der Kryptoassets oder NFT voraussetzen. Besteht Buchführungspflicht, erfolgt die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (Bilanz) und stellen die Kryptoassets Umlaufvermögen dar, können Teilwertabschreibung aufgrund des handelsrechtlichen Niederstwertprinzips am Bilanzstichtag verpflichtend sein.

2.3.1 Keine Haltefrist

Im Betriebsvermögen existiert die aus dem Privatvermögen bekannte Haltefrist nicht. Es besteht eine stetige Steuerverstrickung vom Tag der Anschaffung bis zum Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen. Gewinne (und Verluste) bleiben damit grundsätzlich bis zum Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen steuerpflichtig.

2.3.2 Begrenzung des Verlustrücktrags

Der Verlustrücktrag ist gemäß § 10d Abs. 1 EStG auf 1 Mio EUR (bei zusammenveranlagten Ehegatten 2. Mio Euro) begrenzt.

2.3.3 Wie weit können Verluste zurückgetragen werden?

Es gelten grundsätzlich die Ausführungen unter 1.3.3. Es gibt jedoch eine entscheidende Ausnahme: die im Privatvermögen bestehenden Einschränkungen des Verlusrücktrags durch die lex specials Regelungen auf den unmittelbar vorangegangene Veranlagungszeitraum findet keine Anwendung!

Für Kryptoassets und NFT im Betriebsvermögen ist somit ein Verlustrücktrag bis zu 2 Jahre möglich.

2.4 Verlustverrechnung

Verluste im Betriebsvermögen sind flexibler verrechenbar als im Privatvermögen. Handelsverluste können beispielsweise mit (ebenfalls im Betriebsvermögen erzielten) Gewinnen aus Lending, Staking etc. aber auch mit den sonstigen Betriebseinnahmen des Unternehmens verrechnet werden. Erwirtschaftet ein Gewerbebetrieb in einem Wirtschaftsjahr insgesamt einen Verlust, ist dieser nicht nur horizontal sondern auch vertikal mit anderen Einkunftsarten wie z.B. Vermietung und Verpachtung oder nichtselbständigen Einkünften verrechenbar.

2.5 Verlustüberhang

Nach § 10d Abs. 4 EStG sind verbleibende Verluste gesondert und einheitlich festzustellen und stehen für die Folgejahre zur Verfügung. Wie im Privatvermögen ergeht auch im Betriebsvermögen ein Verlustfeststellungsbescheid, der die Höhe des Verlusts zum 31.12. des jeweiligen Jahres ausweist.

3. Gestaltungsmissbrauch

Ein steuerlich motivierter Verkauf zur Verlustrealisierung mit anschließendem Wiedererwerb der Position ist nach laufender Rechtsprechung aus dem Bereich der Einkünfte aus Kapitalvermögen (z.B. Aktienhandel) unproblematisch und stellt insbesondere keinen Fall des § 42 AO (Gestaltungsmissbrauch) dar, vgl. BFH, Urteil v. 25.08.2009 – IX R 60/07.

Es spricht viel dafür, diese Rechtsprechung analog auf den Handel mit Kryptoassets anzuwenden. Aktuell existiert jedoch noch keine einschlägige Rechtsprechung, sodass es empfehlenswert sein kann mit dem Wiedererwerb einer zuvor verkauften Position ein paar Stunden oder Tage zu warten. Insbesondere die starke Volatilität des Kryptomarktes dürfte jedoch einige Anhaltspunkte bieten, um einen zeitnahen Neuerwerb einer verkauften Position zu rechtfertigen.

Aber Achtung: nach der Neuanschaffung beginnt der Lauf der für den Handel mit Kryptowährungen im Privatvermögen geltenden einjährigen Haltefrist natürlich von vorn.

4. Monitoring mit Trackingsoftware

Für die korrekte Überwachung der Haltefristen und die Darstellung von unrealisierten Verlusten empfiehlt sich die Nutzung von Trackingsoftware. Da die Haltefristen in den seltensten Fällen genau am 31.12. des Jahres ablaufen, behält man auf diese Weise auch unterjährig den Überblick.

5. Fazit

Die Verlustverrechnung und der Verlustrücktrag stellen attraktive (und legale) Möglichkeiten der steuerlichen Gestaltung dar. Mit dem Einsatz geeigneter Trackingsoftware kann man auch die entsprechenden Haltefristen im Blick behalten. Gerade im Hinblick auf die Konstellation der Jahre 2021 und 2022 kann auf diese Weise die Liquidität zum teil erheblich geschont werden. Zu beachten sind das unterschiedliche Handling im Privat- und dem Betriebsvermögen sowie die jeweiligen Besonderheiten der Verlustverrechnung.

Sollten im Vorjahr keine Gewinne angefallen sein, kann sich eine Verlustrealisierung dennoch lohnen, da man durch den Verlustvortrag auch Verlustverrechnungspotential für etwaige zukünftige Gewinne bilden kann.


Die angeführten Erläuterungen haben lediglich informatorischen Charakter, stellen keine Anlage-, Rechts- oder Steuerberatung dar und können diese mitnichten ersetzen. Die Informationen sind abstrakt, beziehen sich ausschließlich auf das deutsche Recht und entsprechen dem Rechtsstand des Beitragserstellungsdatums. Für eine konkrete Beratung wird diesseitig die Konsultation eines spezialisierten Rechtsanwalts oder Steuerberaters empfohlen.