Eine Möglichkeit im Bereich der Decentralized Finance, also am DeFi-Markt, zu investieren und Erträge zu erwirtschaften ist das Liquidity Mining.

Seinen Durchbruch schaffte das Liquidity Mining mit Beginn des DeFi-Booms in 2020 und etablierte sich seither als eine der beliebtesten DeFi-Anlageformen.

Dieser Artikel gehört zu unserer DeFi-Reihe, in der wir ausgehend von einer allgemeinen Einführung in die Decentralized Finance sukzessive die bisher bekanntesten Partizipationsmöglichkeiten vorstellen und deren steuerrechtliche Behandlung darlegen. 


Und wie sieht es mit der Steuer aus? Nunja, bevor wir auf die steuerlichen Aspekte eingehen, klären wir eingangs erst einmal eine Verständnisfrage, nämlich was Liquidity Mining überhaupt ist und wie es funktioniert.

1. Grundlagen des Liquidity Mining

Beim Liquidity Mining stellen „Anleger“ dezentralisierten Börsen (sogenannten Decentralized Exchanges, kurz DEX) Kryptoassets zumeist paarweise zur Verfügung, damit diese Handelsplätze über ausreichende Liquidität verfügen und ihrerseits eine Handelsfunktion anbieten können. Sie erhalten dafür einen Anteil an einem Liquiditäts-Pool, der dem Wert ihrer eingebrachten Assets entspricht und werden fortan – als Gegenleistung – durch die Ausschüttung von „Rewards“ (Belohnungen/Erträge) belohnt.

Um einen möglichst fehlerfreien und manipulationssicheren Handel zu gewährleisten benötigen die DEX ausreichend Liquidität, die in den wenigstens Fällen von einzelnen Anlegern allein bereitgestellt werden kann. Daher werden die Kryptoassets aller Anleger in Liquidity-Pools gebündelt.

Die verschiedenen Vorgänge sowie der Betrieb der DEX werden dabei durch Smart Contracts gesteuert.

Die eingebrachten Kryptowährungen sind flexibel, variieren in ihrer Zusammensetzung (je nach Entwicklung und Zusammensetzung des Liquidity-Pools) und können jederzeit wieder abgezogen werden.

Der Handel über die DEX erfolgt dezentral – also ohne zentralisierte Exchange/Handelsplattform – und zumeist durch sogenannte SWAPS, frei übersetzt: Tauschgeschäfte.

Der Betrieb der Börse funktioniert somit vollautomatisch ohne zentrale Entität lediglich mittels der in den Smart Contracts festgelegten Parameter. Das macht sie effizienter und manipulationssicherer. Darüber hinaus kann kein Dritter Einfluss auf die DEX ausüben, da man ihr ohne Ansprechpartner/Verantwortliche nicht habhaft werden kann. Da sie kein Personal benötigt, sondern automatisiert via Smart Contract laufen, können DEX im Vergleich zu traditionellen und zentralisierten Handelsplätzen geringere Gebühren erheben, was die Rendite der Investoren erhöht.

Für die Bereitstellung der Liquidität erhalten die Anleger Erträge, die je nach Ausgestaltung der Smart Contracts zumeist in Kryptowährungen ausgeschüttet werden. Oft werden die Erträge dabei in Liquiditätserträge und anteilige Gebühren für SWAPs aufgeteilt.

  • Liquiditätsertrag: diese Erträge erhält der „Anleger“ durch Bereitstellung der Liquidität und für den Entzug der Verfügungsmacht über seine Kryptoassets
  • SWAP-Gebühren: diese Erträge schüttet der DEX via Smart Contract an den „Anleger“ aus wenn SWAPs in den von ihm bereitgestellten Kryptoassetpaaren erfolgt sind   

In einigen Fällen erfolgt die Ausschüttung auch in Form sogenannter „Governance Token“, die ein Mitspracherecht bzw. Stimmrecht, vergleichbar mit Gesellschaftsanteilen, einräumen.

Welche Risiken gibt es?
Smart Contracts sind nur so gut, wie der ihnen zugrundeliegende Code. Ist dieser fehlerhaft oder enthält sogar Hintertüren, können Anleger im schlimmsten Fall ihr komplettes Investment durch Hacks oder Scams verlieren. Darüber hinaus besteht beim Liquidity Mining die Gefahr eines impermanent losses, der durch die variable Zusammensetzung des Pools entstehen kann. Das bedeutet vereinfacht ausgedrückt, dass die paarweise in den Liquidity Pool gegeben Kryptoassets sich unterschiedlich entwickeln können. Erhöht sich der Marktwert einer Kryptowährung sehr stark, während der andere Teil des Paares starke Wertverluste verzeichnet, kann es dazu kommen, dass ein Teil der eingebrachten Assets aufgrund des standigen rebalancings des Poolanteils auf Null fällt; dann liegt ein impermanent loss vor.

2. Steuerrechtliche Beurteilung des Liquidity Mining

Für die steuerliche Betrachtung ist beim Liquidity Mining nach derzeitig herrschender Meinung in der Fachliteratur auf 3 Zeitpunkte abzustellen:

Phase 1: Hingabe der Kryptoassets (das „Anlegen“)

Die Einbringung der Handelspaar in den Pool erfolgt in der Regel im Rahmen eines Tauschgeschäfts und stellt damit einen Veräußerungsvorgang dar, der einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn oder Veräußerungsverlust bewirken kann.

Im Privatvermögen kann hierdurch bei Veräußerung innerhalb der Haltefristen des hingegeben Assets § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 S.1 Nr. 2 EStG ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft vorliegen.

Im Betriebsvermögen liegt zwangsläufig ein steuerpflichtiger Vorgang vor.

Vertiefend hierzu unser Artikel:

Phase 2: Erwirtschaftung von Erträgen

Die ausgeschütteten Erträge aus dem Pool sind im Privatvermögen nach derzeit herrschender Meinung in der Fachliteratur als Kapitaleinkünfte gem. § 20 EStG zu erfassen und unterliegen damit grundsätzlich der Kapitalertragsteuer in Höhe von 25%. Diese Rechtsauffassung ist jedoch bis dato noch nicht finanzgerichtlich bestätigt. Die Finanzverwaltung vertritt in ähnlich gelagerten Fällen nicht selten die Auffassung, dass Sonstige Einkünfte gem. § 22 Nr. 3 EStG vorliegen (Auffangtatbestand). Die Rechtsfolgen sind jedoch gravierend, da für diese Einkunftsart keine Kapitalertragsteuer in Höhe von 25%, sondern der individuelle Stauersatz nach Tarif (bis zu 45%) zur Anwendung kommt.

Im Betriebsvermögen werden die Rewards gem. § 20 Abs. 8 EStG aufgrund des Subsidiaritätsprinzip in Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG), oder aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) umqualifiziert. Eine Umqualifizierung in Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und Vermietung und Verpachtung ist eher unwahrscheinlich. 

Phase 3: Rücknahme der Kryptoassets (der Abzug)

Wird der erhaltene Poolanteil gegen Kryptoassets veräußert, ist bei der Veräußerung zu beachten, dass ein etwaiger in der Zwischenzeit entstandener Wertzuwachs oder ein Wertverlust des Poolanteils steuerlich relevant ist. Dieser sollte ebenfalls den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 EStG unterliegen, wobei auch hier der Verweis auf die noch nicht gesicherte Rechtsposition (siehe 2.) gilt.
Darüber hinaus stellt der Erhalt der Kryptoassets (regelmäßig des Handelspaars, das ursprünglich eingebracht wurde, jedoch in angepasster Zusammensetzung) einen Anschaffungsvorgang dar. Werden die Kryptoassets im Privatvermögen gehalten beginnt zu diesem Zeitpunkt der Lauf der Haltefristen. Das Betriebsvermögen kennt indes eine derartige Steuerfreiheit nach Ablauf von Haltefristen nicht.

Die steuerrechtlichen Aspekte sollten im DeFi-Markt keinesfalls auf die leichte Schulter genommen und durch die Verwendung geeigneter Trackingsoftware (z.B. Cointracking) unterstützt werden. Aufgrund der Ausgestaltung der DeFi-Protokolle kann es durch die automatische Interaktion mehrerer Smart Contracts zu einer derartigen Masse an Transaktionen kommen, die eine nachträgliche manuelle Erfassung lediglich mit einem vollkommen unverhältnismäßigen Aufwand ermöglichen.   

Haltefristverlängerung

Zum Thema Haltefristverlängerung haben wir bereits einen ausführlichen Artikel verfasst, auf dessen Grundsätze wir an dieser Stelle verweisen möchten:

Auf eine kleine Anfrage der FDP Fraktion (BT-Drucks 19/31924) nach der Anwendung der Haltefristverlängerung im DeFi-Bereich (z.B. Liquidity Mining, Yield Farming, etc.) antwortete die Bundesregierung (BT-Drucks 19/32192):

„Die Verlängerung der Haltefrist nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 EStG gilt für Wirtschaftsgüter im Sinne von § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, aus deren Nutzung als Einkunftsquelle zumindest in einem Kalenderjahr Einkünfte erzielt werden. Beim sogenannten Yield Farming versuchen Halter virtueller Währungen durch Investments in dezentralisierte Finanzmärkte, Einkünfte zu erzielen, indem sie beispielsweise für dezentrale Börsen gegen Vergütung Liquidität in Form virtueller Währung bereitstellen (Liquidity Mining). Abhängig von der konkreten Ausgestaltung etwa eines genutzten Smart Contracts liegt in diesen Fällen nach Einschätzung der Bundesregierung eine Nutzung der eingesetzten virtuellen Währung zur Einkünfteerzielung nahe.“

BT-Drucks 19/32192

Für die Praxis könnte die Haltefristverlängerung beim Liquidity Mining nach unserer Rechtsauffassung lediglich in Phase 2 und Phase 3 (s.o.) relevant werden, da der für die eingebrachten Kryptoassets erhaltene Pool-Anteil zur Erzielung von Einkünften genutzt wird. Hierfür müsste der Pool-Anteil jedoch ein „Anderes Wirtschaftsgut“ i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG darstellen und somit einer Besteuerung als Sonstige Einkünfte gem. § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 S.1 Nr. 2 EStG zugänglich werden. Gemäß dem Fall könnte – der Logik der Finanzverwaltung folgend – die Erzielung von Erträgen/Rewards in Phase 2 den hierfür genutzten Pool-Anteil mit einer 10-Jahres-Haltefrist nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2. S. 4 EStG infizieren. Diese Auffassung ist umstritten und wird voraussichtlich höchstgerichtlich geklärt werden müssen.

Bei einer Einstufung als Einkünfte aus Kapitalvermögen (wie oben in den verschiedenen Phasen dargestellt und von uns vertreten) entfällt die Haltefristthematik gänzlich, da § 20 EStG – entgegen § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG –  keine Befreiungsmöglichkeit nach Ablauf einer Haltefrist beinhaltet. Stattdessen würde jedoch die Kapitalertragsteuer in Höhe von 25% zur Anwendung kommen.

3. Fazit

Liquidity Mining stellt eine neue und innovative Form der Geldanlage dar und ermöglicht Markteilnehmern weltweit den Zugang zu manipulationssicheren Finanzdienstleistung auf Blockchainbasis. Die vergleichsweise geringen Gebühren sorgen dafür, dass die Rendite des Anlegers nicht unnötig geschmälert wird. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten: Vorsicht sollte bei der Auswahl des DeFi-Projekts gewahrt werden, da jede Anwendung im Bereich der Decentralized Finance nur so gut ist, wie die Smart Contracts auf denen sie beruht – haben Betrüger beispielsweise Hintertüren im Smart Contract eingebaut, kann dies zu einem Totalverlust der angelegten Assets führen.

Aus steuerrechtlicher Sicht ist das Liquidity Mining aufgrund der verschiedenen 3 Phasen sehr komplex. Die halbe Miete ist freilich das korrekte Tracking aller Transaktionen (im Idealfall mittels Trackingsoftware). Sind die Bestände gut gepflegt und plausibel, kann der Steuerberater selbst mit einer Vielzahl an Transaktionen gut und effizient arbeiten. Letztlich wird eine plausible Dokumentation mit steuerrechtlichem Gutachten des Steuerberaters auch dem zuständigen Finanzamt wenig Angriffsfläche bieten, sodass der Fokus mehr auf die Entwicklungen in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung als auf die Abwehr etwaiger Hinzuschätzungen gerichtet werden kann.


Die angeführten Erläuterungen haben lediglich informatorischen Charakter, stellen keine Anlage-, Rechts- oder Steuerberatung dar und können diese mitnichten ersetzen. Die Informationen sind abstrakt, beziehen sich ausschließlich auf das deutsche Recht und entsprechen dem Rechtsstand des Beitragserstellungsdatums. Für eine konkrete Beratung wird diesseitig die Konsultation eines spezialisierten Rechtsanwalts oder Steuerberaters empfohlen.

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  • Martin Rudolph, M.A. Staatswissenschaftler, Junior Tax Consultant (Autor)

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