Nur wenige Tech-Themen haben in der letzten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts so viel Aufmerksamkeit erregt wie die sich anbahnende technische Revolution rund um Blockchain und Kryptowährungen.

Das Potential der tatsächliche Anwendung dieser innovativen Technologie hat sich im Bank- und Finanzwesen, in der Strafverfolgung, im Energie- und Versicherungswesen, im Immobiliensektor, im Lieferkettenmanagement und in praktisch jedem anderen Wirtschaftssektor angedeutet. Die Blockchaintechnologie ist gekommen um zu bleiben und steht zugleich immer noch ganz am Anfang.

Wo liegt die Zukunft von Blockchain?

Mit Blick auf die nächsten 10 Jahre werden mehrere Blockchain-Anwendungsfälle peu à peu ihren Weg in den Alltag finden und somit die nächste Stufe von der Idee hin zur Umsetzung in der Praxis erklimmen.

AML & die internationale Bühne

Weiter gedacht, besitzt die Technologie, die Kryptowährungen zugrunde liegt, das Potential, um bestehende Machtstrukturen aufzubrechen und diese nachhaltig zu revolutionieren. Aufgrund der Dezentralisierung der Blockchain werden die Termini Transparenz und Vertrauen auf ein bisher unbekanntes Level gehoben. Manipulationen werden durch die Unveränderbarkeit der Blockchain und deren öffentliche Einsehbarkeit nahezu unmöglich.

Das gefällt natürlich nicht allen und keine Institution wird ihren Einfluss freiwillig und kampflos hergeben. Das musste nicht zuletzt Facebook mit seinem initiierten Projekt „Libra“ feststellen. Mit Libra arbeitet die von Facebook ins Leben gerufene Libra Association an einem Stablecoin, der durch einen Topf verschiedener FIAT-Währungen gedeckt sein soll. Anders als bei FIAT-Währungen ist diese Währung jedoch unabhängig von den Zentralbanken dieser Welt.

Da Facebook über rund 2 Mrd. aktive Nutzer verfügt sahen viele Regierungen ihre Finanzautonomie akut gefährdet und übten Druck auf die an dem Projekt beteiligte Allianz vieler zum Teil hochrangiger Unternehmen aus. Mit Erfolg, denn beispielsweise Visa, Mastercard und Ebay zogen sich daraufhin umgehend aus dem Projekt zurück. Ein schwerer Rückschlag für das Projekt, das jedoch trotzdem weiterentwickelt wird.

Aber auch die Anti Money Laundry (AML) und die internationale Geldpolitik werden im kommenden Jahrzehnt im Mittelpunkt stehen.

„Wir werden sicherstellen, dass Bitcoin nicht zum Äquivalent von Schweizer Nummernkonten wird“, sagte US-Finanzminister Steven Mnuchin und bezeichnete die Kryptowährung als eine Bedrohung der nationalen Sicherheit.

Nicht jeder Politiker teilt diese Ansicht, doch bestehen weiterhin Bedenken über die Rolle der Kryptowährung in der Geldpolitik und in internationalen Angelegenheiten.

In der Europäischen Union mussten die Mitgliedsstaaten bis Mitte Januar die 5. Anti Money Laundering Richtlinie (AMLD5) umsetzen, mit der die EU-Finanzvorschriften für Geldwäsche und Terrorismusbekämpfung auch auf virtuelle Währungen ausgedehnt wurden. In der Zukunft warten gezieltere AML-Gesetze, die auf jene Kryptowährungen abzielen, die u.a. auch in den USA die Distributed-Ledger-Technologie (DLT) verwenden.

Dennoch ebnet sich die Blockchaintechnologie schrittweise ihren Weg in die Praxis. Banken und andere Finanzinstitute haben beispielsweise erkannt, dass durch den Einsatz der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) ihre AML- oder Know-Your-Customer-Prozesse in Echtzeit effizienter verwaltet werden können.

Viele weitere Anwendungsbereiche sind denkbar – vorrangig überall dort, wo die Begriffe Transparenz und Vertrauen im Zentrum stehen:

  • Ein Kilometerstand eines Kfz, der ab Werk dezentral auf einer Blockchain erfasst wird, kann durch Händler nicht mehr zurückgedreht werden.
  • Eine Fair-Trade-Ware kann entlang der kompletten Lieferkette vom Bauernhof bis zum Endkunden getracked werden.
  • Die Übereignung von Gegenständen und Sachwerten kann ohne Notar erfolgen, da die Blockchain das Vertrauen und die Kontrolle gewährleistet. Ähnliches gilt für Versicherungen, Finanzdienstleistungen und jede Form von Zertifizierungen und Nachweisen.

Wie diese Beispiele andeuten, können eine Vielzahl alltäglicher Probleme durch den Einsatz der Blockchaintechnologie manipulationssicher und transparent gestaltet werden.

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten.

Darknet, Deepfakes und Fake News

Bitcoin, Monero und andere Kryptowährungen wurden in den letzten Jahren häufig als Zahlungsmittel im Darknet genutzt, um illegale Transaktionen zu tätigen. Derartige Nachrichten wurden von vielen Medien immer wieder gern aufgegriffen, um eine negative Stimmung gegen Kryptowährungen zu verbreiten und diese pauschal als Werkzeug von Kriminellen abzustempeln. Verkannt wurde dabei stets, dass die Geschäfte mit Kryptowährungen lediglich einen geringen Anteil ausmachten und Kriminelle immer einen Weg finden würden, ihre Transaktionen zu tätigen (Bargeld, Sachwerte, Edelmetalle, etc.); es ist ja nicht so, dass Betrüger erst seit 10 Jahren krumme Geschäfte machen. Eine derartige Argumentation entbehrt also jedweder Grundlage. Im Gegenteil: die positiven Aspekte überwiegen deutlich.

Im Jahr 2017 waren sowohl Blockchain als auch Bitcoin brisante Themen, aber beide waren beispielsweise im amerikanischen Diskurs nicht so präsent wie der Begriff der „Fake News“. Nun hat sich dieser Begriff weiterentwickelt und umfasst auch gefälschte Videos und gefälschte Fotos, die selbst den anspruchsvollsten Geist täuschen können. Da Berichte bereits im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020 vor solchen Fehlinformationen warnen, erwarten einige, dass Blockchainunternehmen Lösungen für diese Probleme anbieten werden.

So wie die Entlarvung der gefälschten Nachrichten und Bots bei der Wahl 2016, wird die Herausforderung von 2020 darin bestehen, Bilder und Videos zu überprüfen, inwieweit diese wahrheitsgetreu sind. Das Einfügen eines Wasserzeichens in Medieninhalte, das anzeigt, dass sie verifiziert wurden, und das anschließende Anbringen dieser Verifizierung auf der Blockchain – unveränderlich und nicht fälschbar oder manipulierbar – ist eine attraktive Option, die von Anwälten, Ethikkommissionen und staatlichen Anwaltskammern vorgeschlagen wird.

Startups wie Truepic ziehen zu diesem Zweck Mittel ein, aber große Medienunternehmen haben ebenfalls bereits in ihre eigenen Blockchain investiert, um diese Technologie für die Verifizierung, Aggregation und andere Anwendungen zu erforschen. Da die gefälschten Nachrichten nicht mehr ausbleiben und die Fakes immer authentischer werden, sollten Sie darauf achten, dass diese Manipulationssoftware immer besser wird und den Wahrheitsgehalt der Medien, die Sie konsumieren, stets überprüfen.

Digitale Identität

Die Blockchain hat auch Auswirkung auf die digitale Identität. Identität im 21.Jahrhundert ist mehr als nur Ihr Name, Ihre FaceID, Ihre Fingerabdrücke und Ihre Steuer- oder Sozialversicherungsnummer oder sogar Ihre Geburtsurkunde oder Ihr Reisepass. Es ist auch Ihr TSA-Vorabcheck, Ihr Login bei Facebook, Amazon und Co. sowie Ihr Online-Banking-Konto. Ihr elektronischer Fußabdruck und die aus Ihrem Online-Verhalten gesammelten Daten sind jetzt Teil Ihrer Identität… und werden von Regierungen und Unternehmen genutzt.

Die Regierungen suchen nach DLT-Lösungen, um Menschen bei der Verwaltung ihrer Identität zu unterstützen, indem sie Verschlüsselungstechnologie und Tokenisierung nutzen. In einigen Ländern gibt es bereits einen solchen Schutz in der Praxis für Wahlen, die Überprüfung von Bildungsnachweisen und des Staatsbürgerschaftsstatus. Für jeden positiven Anwendungsfall gibt es jedoch auch Bedenken hinsichtlich der Überwachung und der Hackbarkeit, die den Umgang der Regierungen mit den digitalen Identitäten der Bürger einschränken können. Es muss stets eine Abwägung zwischen Datenschutz und Sicherheit erfolgen. Es ist eine Debatte, die sich in den nächsten Jahren wahrscheinlich nur noch verstärken wird.

Krypto-Währung

Wenn etwas fraglich ist, dann ist es die zukünftige Rolle der Kryptowährung als tatsächliche Währung. Die Idee der elektronischen Währung ist vom Grundgedanke her fast schonwieder ein alter Hut, da digitales Bezahlen mit Paypal, Apple Pay und andere digital Wallets bereits jetzt allgegenwärtig ist und sich weiter verbreiten wird. Hier werden Kryptowährungen nach unserer Auffassung keine bestehenden Währungen verdrängen, sondern eher als optionaler Zusatz angeboten werden.

In den letzten fünf Jahren herrschte dennoch eine regelrechte Goldgräberstimmung rund um Kryptowährungen, wobei die zehn größten Kryptowährungen mittlerweile eine Marktkapitalisierung von mehreren Milliarden Dollar aufweisen. Hinter dem Terminus Kryptowährung steckt jedoch nicht nur Bitcoin, sondern viel mehr. Das wird auch sehr schnell anhand des Ethereum oder des Iota-Kurs ersichtlich, die jeweils über eine hohe Marktkapitalisierung verfügen, jedoch keine Währung im engeren Sinne darstellen. Kryptowährung ist eben mehr als elektronisches bezahlen, nämlich auch Blockchain und Innovation.

Derzeit existieren tausende von Bitcoin-Automaten und Münzkioske, und Unternehmen wie Microsoft, Subway und Overstock akzeptieren bereits Zahlungen in digitalen Währungen. Alltägliche Krypto-Transaktionen bleiben im Moment jedoch Wunschdenken. Die größten Volumina finden sich auf den Exchanges (Handelsbörsen). Viele Staaten haben zudem noch keine spezielle Regelung für Kryptowährungen, was die Massenadoption erschwert. Nebst der Vorfreude auf Facebooks Libra Stablecoin (der von vielen als Katalysator für die Einführung von Kryptowährungen als Bezahlinstrument angesehen wird) hat sich – wie eingangs erwähnt – der Druck der Regierungen erhöht und selbst die antizipierte Verwendung von Libra innerhalb des Facebook-Kosmos hat sich bis dato nicht bewahrheitet. Facebook hat stattdessen einen traditionellen Bezahldienst (Facebook Pay) eingeführt.

Libra hat dennoch das geschafft, was Bitcoin und Co. bisher nicht gelungen war. Regierungen und institutionelle Investoren hatten Kryptowährungen in der Vergangen nicht als Konkurrenz für bestehende Prozesse betrachtet. Das hat sich geändert. Jetzt debattieren Politiker und Institutionen öffentlich über die Einführung staatlichen Kryptowährungen und die Digitalisierung von FIAT-Währungen (E-Euro).

Es ist zu erwarten, dass die Reglementierung des Kryptomarkts durch die einzelnen Staaten voranschreitet, auch wenn derzeit freilich noch kein Konsens existiert, wie Kryptowährungen zu kategorisieren oder zu regulieren sind.

Wer wird den Weltmarkt anführen?

Die Vereinigten Staaten, Russland, China und die meisten G20-Länder haben bereits Ressourcen für Blockchain Lösungen bereitgestellt und auch Deutschland hat bereits eine eigene Blockchain-Agenda veröffentlicht. Die Vereinigten Arabischen Emirate, angeführt von ihrem Tech-Hub in Dubai, wollen die erste Blockchain gesteuerte Regierung der Welt sein; und die Nationale Blockchain Australiens will das Land zur Einführung von Blockchainlösungen bewegen. Es wird deutlich: kein Staat will den Zug verpassen.

Viele Branchenführer haben sich zu Konsortien zusammengeschlossen – technologie-spezifisch, wie R3 und die Ethereum Enterprise Alliance; oder geschäftsspezifisch, wie Hyperledger, Bankchain, TradeLens und MediLedger. Das Ziel solcher Kooperationen ist es, Standards zu schaffen, wie z.B. eine Blockchain Transport Alliance für das Lieferkettenmanagement oder ein Blockchain Law Consortium für die Rechtsbranche.

Wie die meisten neuen Technologien sind die einflussreichsten und innovativsten Köpfe in der Blockchain nicht auf große Unternehmen und Regierungen beschränkt. Es sind eher die kleinen Länder oder Nationen mit modernen, aufgeschlossenen und sich entwickelnden Volkswirtschaften. Singapur, Malta und Estland sind führend bei internationalen Vorschriften, der Blockchain und der digitalen Identität.

Und während viele Blockchain Erfinder und Unternehmensleiter Millennials und Menschen der jungen Generation X waren, füllt die Generation Z bereits die Reihen der Startup-Leiter und Entwickler, die auf der Blockchain aufbauen und entsprechende Anwendungen und Plattformen für intelligente Verträge hinter den DLT-Initiativen entwerfen.

Kryptowährungen und insbesondere die Blockchaintechnologie sind gekommen um zu bleiben.