Gastautor: Andreas Kehrer, Radio F.R.E.I. & Local Times Erfurt

Rot-Rot-Grüne-Aussichten

Die Ergebnisse der Landtagswahl im vergangenen September lösten ein mittelschweres Beben in der Republik aus. Plötzlich redete jeder über die mögliche Koalition aus Rot-Rot-Grün unter Führung eines linken Ministerpräsidenten. Nach zähen Koalitionsverhandlungen konnte Bodo Ramelow am 4. Dezember 2014 vereidigt werden. Doch wie geht es weiter, was erwartet uns?

Im vorgestellten Koalitionsvertrag legten die Regierungsparteien großen Wert auf eine solide Wirtschaftspolitik: „Kein Haushalt ohne schwarze Null“ ist die Lösung. Ein hochgestecktes Ziel, weil nichts desto trotz in den Bildungsbereich investiert werden soll. Jährlich 500 neue Stellen für Lehrer und Lehrerinnen verspricht Rot-Rot-Grün, genauso wie eine zeitgemäße Ausstattung der Schulen. Aber auch die Eltern kleiner Kinder dürfen sich freuen: In den Kitas soll künftig ein gebührenfreies Jahr eingeführt und das Betreuungsverhältnis verbessert werden. An den Hochschulen setzt die neue Regierung auf Qualität statt Quantität. Weniger Studierende, dafür aber klarere Schwerpunkte an den Standorten, sowie mehr Masterstudienplätze und weniger Stellenabbau als bislang vorgesehen.

Einschnitte gibt es dafür beim Verfassungsschutz. Der im Zuge der NSU-Affäre in Misskredit geratene Einsatz von V-Leuten, soll nur noch in Ausnahmefällen gestattet werden. Weitere Einsparungen sind in der Verwaltung geplant. 2016 soll ein Personalentwicklungskonzept verabschiedet werden, das die Prozesse innerhalb der Verwaltung optimiert. Für 2019 ist eine Gebietsreform anberaumt, die Landkreise zusammenlegt und dadurch Kosten spart. Fraglich ist nur, wie auf diese Weise genügend Mittel für die oben genannten Vorsätze realisiert werden können, zumal auch die Kommunen, die schon seit geraumer Zeit in finanzielle Schieflage geraten sind, auf höhere Zuschüsse vom Land hoffen.

Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Legislaturperiode liegt mit Sicherheit in den Ministerien, die die neue Koalition umstrukturiert hat. Hier eine Übersicht über die Ressortverteilung und deren Minister/innen:

Staatskanzlei, Ministerium für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten:

Benjamin-Immanuel Hoff (Linke)

Finanzministerium:

Heike Taubert (SPD)

Ministerium für Inneres und Kommunales:

Holger Poppenhäger (SPD)

Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft:

Wolfgang Tiefensee (SPD)

Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit:

Heike Werner (Linke)

Ministerium für Bildung, Jugend und Sport:

Birgit Klaubert (Linke)

Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz:

Anja Siegesmund (Grüne)

Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz:

Dieter Lauinger (Grüne)

Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft:

Birgit Keller (Linke)


Interessant ist bei der neuen Ressortverteilung die Aufsplittung von Wissenschaft und Bildung auf zwei verschiedene Ministerien. Die im Koalitionsvertrag festgelegten Ziele im Bildungssektor, die mit Fug und Recht als ehrgeizig bezeichnet werden können, sollen dadurch auf mehrere Schultern verteilt werden. Das Wissenschaftsressort fällt zusammen mit Wirtschaft und Digitaler Gesellschaft in die Hände von Wolfgang Tiefensee. Ein deutliches Zeichen dafür, dass sich die Universitäten und Hochschulen künftig stärker an der Wirtschaft orientieren sollen. Für das Billiglohnland Thüringen könnte das langfristig ein wichtiger Faktor im Kampf um bessere Arbeitsplätze sein. Das Bildungsministerium ist mit der ehemaligen Lehrerin Birgit Klaubert fachgerecht besetzt. Sie wird sich insbesondere an dem Versprechen für mehr Lehrpersonal messen lassen müssen.

Sinnvoll ist auch die Zusammenlegung der Ressorts Energie und Umwelt, für die sich künftig Anja Siegesmund verantwortlich zeichnet. Eine eigentlich undankbare Aufgabe, da das ebenfalls im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel, Thüringen bis 2040 komplett mit grüner Energie zu versorgen, utopisch scheint. Als erstes Etappenziel will Siegesmund bis 2020 immerhin 35 % des Gesamtbedarfs durch regenerative Energien bestreiten.

Auch wenn Ramelow die drei wichtigsten Ministerien in die Hände der SPD gelegt und den Sozialdemokraten damit erhebliche Zugeständnisse gemacht hat, wird es schwierig werden den Koalitionsvertrag umzusetzen. Mit nur 46 von 91 Stimmen ist die Mehrheit im Landtag stets in Gefahr, zumal die Opposition aus CDU und AfD sich schon aus ideologischen Gründen jedem Vorschlag verweigern wird. Die Thüringer dürfen also gespannt sein, wie sich ihre neue Regierung aus Rot-Rot-Grün schlagen wird.