Kein Mensch ist fehlerfrei.
Diese Weisheit macht auch um Finanzbeamte keinen Bogen, zumal es sich beim deutschen Steuerrecht um eine hochkomplexe Rechtsmaterie handelt.
Statistisch gesehen sind 30% aller Steuerbescheide fehlerhaft, was sich in der Regel zum Nachteil für den betroffenen Steuerpflichtigen auswirkt.

Aber was ist zu tun, wenn der eigene Steuerbescheid fehlerhaft ist?

Bei fehlerhaften Bescheiden des Finanzamts kann der Steuerpflichtige Einspruch einlegen. Dieses Rechtsmittel muss binnen der gesetzten Frist geltend gemacht werden, da der Steuerbescheid andernfalls rechtskräftig wird.
Da die Einspruchsfrist ein wichtiges Element des Rechtsbehelfsverfahrens darstellt und ihr Stellenwert in der Praxis häufig unterschätzt wird, soll diese Thematik nachfolgend zuerst beleuchtet werden.

Was ist die Folge, wenn die Einspruchsfrist nicht eingehalten wird?

Fristen sind ein integraler Bestandteil des deutschen Rechtssystems, was vor allem im Umgang mit den Behörden nicht unterschätzt werden sollte. Kommt es zu einem verspäteten Zugang eines Einspruchs beim Finanzamt, wird er nach Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit aufgrund dieses Fehlers als unzulässig verworfen.

Ist der Steuerpflichtige für den verspäteten Zugang nicht verantwortlich (Verschulden liegt nicht in seiner Sphäre), ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 AO auf Antrag möglich.

Hält der Steuerpflichtige die Einspruchsfrist nicht ein und hat ein etwaiger Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 110 AO keine Aussicht auf Erfolg, wird der Bescheid bestandskräftig, insofern er nicht nichtig ist. Dies hat zur Folgte, dass die festgesetzten Steuern — unabhängig davon, ob sie berechtigt sind — gezahlt werden müssen. Die einzige Möglichkeit gegen einen wirksam bekanntgegebenen Bescheid, der Bestandskraft erlangt hat, vorzugehen ist die Einschlägigkeit einer Korrekturvorschrift gem. §§ 129, 164, 165 172ff. AO.

Wo finde ich Informationen zur Dauer der Frist und wie berechnet sich diese?

Wie lange eine Frist läuft kann man bei Verwaltungsakten der sogenannten Rechtsbehelfsbelehrung am Ende des jeweiligen Bescheids entnehmen, welche einen unverzichtbaren Bestandteil eines wirksamen Verwaltungsaktes darstellt.

Bei Steuerbescheiden gilt eine einmonatige Einspruchsfrist (§ 355 Abs. 1 S. 1 AO), die sich wie folgt berechnen lässt:

  1. Stufe
    Datum des Steuerbescheids + 3 Tage Bekanngabefikation (§ 122 AO) = Zeitpunkt der Bekanntgabe des Steuerbescheids.
  2. Stufe
    Zeitpunkt der Bekanntgabe des Steuerbescheids + 1 monatige Frist (§ 355 Abs. 1 S. 1 AO) = Fristende

    Wichtig! Fällt der Bekanntgabetag oder das Fristende auf einen Sonntag einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so verlängert sich die Frist laut § 108 Abs. 3 AO automatisch bis zum Ablauf des nächsten Werktags (sog. Fristenstreckung)

Insofern die Frist noch nicht abgelaufen ist, sollte im nächsten Schritt eine gründliche Prüfung des Steuerbescheides erfolgen und im Anschluss daran abgewogen werden, ob sich ein Einspruch überhaupt lohnt. Für den Laien empfiehlt sich vor allem ein Blick in den Erläuterungstext des Bescheides — oftmals sind dort Hinweise und Begründungen angeführt, die im Zusammenhang mit der Abweichung stehen. Leider werden dort in der Regel nicht alle Differenzen erfasst, sodass man nur selten umhinkommt, den Bescheid Zeile für Zeile mit den eigenen Berechnungen abzugleichen. Das ist zweifelsfrei eine mühselige Aufgabe und aufgrund der Komplexität von Laien oftmals nicht zu bewältigen. Bei gravierenden Abweichungen ist anzuraten, sich an Spezialisten (Steuerberater oder Lohnsteuerhilfeverein) zu wenden, die sich tagtäglich mit der anspruchsvollen Materie befassen.

Entscheidet man sich für einen Einspruch, stellt sich die Frage nach Formalia und Inhalt.

Wie muss der Einspruch aussehen?

Der Einspruch ist schriftlich beim zuständigen Finanzamt einzureichen, kann aber auch vor Ort zu Protokoll gegeben werden (§ 357 Abs. 1 AO). In der alltäglichen Praxis stellt jedoch gewiss die schriftliche Kommunikation den Standardfall dar. Dabei sollten allgemeine Angaben wie die eigene Steuernummer (dem Bescheid zu entnehmen), der eigene Name und der gegenständliche Steuerbescheid (z.B. Einkommensteuerbescheid 2015) angeführt werden.
Die Übermittlung des Einspruchs ist grundsätzlich via Post (am besten per Einschreiben), per Fax oder per E-Mail möglich. Da sich das ein oder andere Finanzamt mit dem elektronischen Datenverkehr via E-Mail jedoch noch etwas schwer tut, sind vor allem der Versand via Post oder Fax zu empfehlen.

Das Einspruchsschreiben selbst kann frei formuliert werden. Eine Begründung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, beschleunigt jedoch den Prozess. Freilich ist es anzuraten, die eigene Auffassung im Einspruchsschreiben so ausführlich wie möglich darzustellen, damit sich das Finanzamt ein exaktes Bild von den Umständen machen kann.
Wurden beispielsweise berufsbedingte Werbungskosten fälschlicherweise nicht anerkannt, so kann man dem zuständigen Sachbearbeiter mit einer ausführlichen Begründung davon überzeugen, dass es sich in der Tat um berufsbedingte Kosten handelt, welche steuerlich relevant sind.

Tipp: Zur Wahrung der Frist genügt auch ein kurzer Einspruch mit dem Vermerk, dass man eine ausführliche Begründung in Kürze nachreichen wird.

Wie geht es weiter, nachdem der Einspruch eingelegt wurde?

Nach dem Zugang des Einspruches beim Finanzamt prüft dieses nach § 358 AO zuerst, ob der Einspruch formell zulässig ist (Frist eingehalten, zuständiges Finanzamt etc.). Falls dies bejaht wurde, erfolgt die materiell-rechtliche Prüfung.
Gemäß § 367 Abs. 1 S. AO entscheidet über den Einspruch in der Regel die Finanzbehörde, die den Steuerbescheid erlassen hat. Mit dieser Vorgehensweise wird der Prozess beschleunigt und der Behörde die Möglichkeit eingeräumt, eigene Fehler zu berichtigen. Der zuständige Finanzbeamte überprüft den Steuerbescheid in vollem Umfang.

Insgesamt sind drei Entscheidungsvarianten möglich:

  1. Entspricht das Finanzamt der Begründung des Antragstellers, spricht man von Abhilfe. Der Steuerbescheid wird zugunsten des Steuerpflichtigen geändert.
  2. Folgt das Finanzamt der Begründung nicht gänzlich, liegt eine sogenannte Teilabhilfe vor.
  3. Weist das Finanzamt den Einspruch des Steuerpflichtigen zurück (Einspruchsentscheidung), kann man innerhalb eines Monats Klage beim zuständigen Finanzgericht einreichen.

Kann der Einspruch dazu führen, dass der Steuerbescheid noch negativer ausfällt?

Da das Finanzamt den Steuerbescheid im Rahmen des Einspruchsverfahrens in vollem Umfang überprüft, kann es zu einer neuen Bewertung der Sachverhalte kommen, die mitunter auch nachteilige Auswirkungen für den Antragssteller haben können. Im Amtsdeutsch spricht man in einem solchen Falle von einer Verböserung.

Ist es möglich eine Verböserung des Steuerbescheids zu verhindern?

Da das Finanzamt den Steuerpflichtigen bei einer drohenden Verböserung vorab informieren muss, besteht die Möglichkeit den Einspruch zurückzuziehen. Macht der Antragssteller von dieser Option Gebrauch, gilt jedoch der ursprünglich erlassene Steuerbescheid.

Was kostet der Einspruch?

Das Einspruchsverfahren ist kostenlos.
Wird jedoch eine Klage vor dem Finanzgericht erhoben, fallen verschiedene Kosten an. Die Höhe richtet sich dabei nach dem Streitwert und der Art der Verhandlung. Zuzüglich fallen Kosten für Auslagen und Anwaltsgebühren an.

Einspruch oder schlichte Änderung?

Neben dem Einspruch existiert zudem die Möglichkeit einen Antrag auf schlichte Änderung gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO zu stellen. Dieser bietet sich an, wenn man lediglich eine Änderung in einem bestimmten Bereich der Steuererklärung begehrt (z.B. Anerkennung der Telefonkosten als Werbungskosten oder Nachreichen eines nach Abgabe der Steuererklärung gefundenen Beleges).
Der Antrag auf schlichte Änderung hat den Vorteil, dass das Finanzamt nicht „verbösern“ kann und den Nachteil, dass — abgesehen von den beantragten Änderungen — nach Ablauf der Einspruchsfrist keine weiteren Änderungswünsche berücksichtigt werden können.
Für den Antrag auf schlichte Änderung gelten dieselben formellen Anforderungen wie beim Einspruch, mit der Ausnahme, dass er auch mündlich gestellt werden kann. Zudem bedarf er einer konkreten Begründung.
Entspricht das Finanzamt dem Änderungsantrag nicht, so wandelt sich dieser automatisch in einen Einspruch um.

Entbindet der Einspruch von der Begleichung einer Nachforderungszahlung an das Finanzamt?

Nein! Die geforderten Zahlungen müssen gemäß § 361 Abs. 1 AO trotzdem geleistet werden. Erfolgt die Zahlung zu spät können Säumniszuschläge anfallen.
Ein Zahlungsaufschub ist jedoch möglich, wenn man einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellt (§ 361 Abs. 2 AO) und diesem seitens des Finanzamtes entsprochen wird.

Fazit:

Ein Einspruch gegen einen Steuerbescheid lohnt sich häufiger als man vielleicht annehmen mag. Wichtig sind neben der inhaltlichen Begründetheit zweifelsfrei die exakte Beachtung der Fristen, die gründliche Prüfung der Daten im Steuerbescheid oder schlicht und einfach die fachkundige Beratung durch Experten (Steuerberater, Lohnsteuerhilfevereine oder Fachanwälte für Steuerrecht), die Ihnen diese Entscheidung abnehmen und auch Ihre Steuererklärungen durch ihr hohes Maß an Fachkompetenz optimal gestalten können.


Die angeführten Erläuterungen haben lediglich informatorischen Charakter, stellen keine Rechts- oder Steuerberatung dar und können diese mitnichten ersetzen. Die Informationen sind abstrakt, beziehen sich ausschließlich auf das deutsche Recht, entsprechen dem Rechtsstand des Beitragserstellungsdatums und können nicht auf jeden Einzelfall angewendet werden. In jedem Falle wird diesseitig die Konsultation eines Steuerberaters oder Rechtsanwalts empfohlen.