Es existiert keine Luxussteuer in Deutschland
Kürzlich hat es eine Petition in den Bundestag geschafft, welche sich gegen die Besteuerung von Damenhygieneartikeln (Tampons, Binden) mit einer „Luxussteuer“ richtet. Gemeint ist dabei die Belastung mit der Umsatzsteuer, die nach § 12 Abs. 1 UStG derzeit dem Regelsteuersatz von 19% unterliegt. Die Organisatoren begehren die Einstufung mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz in Höhe von 7%. Dem Grunde nach ist einer derartigen Debatte nichts entgegenzusetzen, da es sich – insbesondere da der Liste der unter § 12 Abs. 2 UStG fallenden Konsumgüter dank Lobbyarbeit und Willkür mittlerweile sowieso jedwede Struktur abhanden gekommen ist – durchaus um ein berechtigtes Interesse handelt.
Äußerst fraglich ist jedoch die Art und Weise der Kommunikation dieses Begehrens, welche in puncto Populismus nur schwer zu übertreffen sein dürfte. Die Kampagne wendet sich gegen die Besteuerung von Damenhygieneartikeln mit einer „Luxussteuer“. Der Terminus „Luxussteuer“ wird dabei stetig als Schlagwort angeführt und hervorgehoben. Eine derartige Steuer existiert in Deutschland jedoch nicht. Bei den 19% Umsatzsteuer handelt sich um den Regelsteuersatz, folglich den normalen Standard und keinen „Luxussteuersatz“. Die 7% Umsatzsteuer entsprechen dementgegen dem ermäßigten Steuersatz. Was soll also die unsinnige Bezeichnung als „Luxussteuer“? Die Antwort: reiner Populismus; „Besteuerung von Damenhygieneartikeln mit dem normalen Umsatzsteuersatz“ klingt nicht so hip wie „Luxussteuer auf Tampons und Binden“. Aus fachlicher Sicht bleibt die Bezeichnung der „Luxussteuer“ jedoch absoluter Unsinn und würdigt ein durchaus berechtigtes Interesse herab. Es wurde kurzerhand ein Begriff erfunden, mit dem sich die Massen leichter mobilisieren lassen und viele einstmals seriöse Zeitschriften sind auf den Zug aufgesprungen, ohne die fachliche Korrektheit in irgendeiner Form zu prüfen:
FAZ, vom 24.11.2018 „Rote Revolution […] Mindestens 1500 Euro bezahlt eine Frau im Leben für Monatshygiene. Oft sogar mehr, wegen der Luxussteuer, die für Tampons oder Binden fällig wird.“
FAZ, vom 07.03.2019 „CDU-Politiker will Steuer auf Tampons senken […] Schon lange kritisieren Frauen die Luxussteuer auf Damenhygieneartikel…“
Spiegel Online, vom 30.08.2018 „Was kostet die Menstruation? […] Diese 19% gelten als Luxussteuer…“
Die Zeit, vom 29.10.2019 „Ein Hoch auf die Tasse! […] Bis heute wird in Deutschland für sie eine Luxussteuer von 19 Prozent fällig…“
Stern, vom 01.05.2019: „Hier unterschreiben: Unsere Petition gegen Luxussteuer auf Periodenprodukte im Wortlaut“
Der klare Favorit unserer Recherchen war jedoch:
Stern, vom 07.03.2019 „Wie weit sind wir mit der Gleichberechtigung von Frauen in Deutschland? Tampons werden besteuert wie Luxusgüter, das Ehegatten-Splitting konserviert veraltete Rollenbilder und staatliche Formulare nennen die Frau immer zuletzt. Deutschland hinkt in der Gleichberechtigung von Frauen hinterher, wie der aktuelle Stand der Entwicklungen zeigt.“
Eine Autorin bzw. ein Autor wurde in diesem Artikel nicht genannt, vermutlich aus Schamgefühl oder Mitleid. Der Titel und die Textzeilen versuchen krampfhaft eine Welle der Empörung loszutreten. Das Märchenbuch wurde aufgeklappt und der Verfasser bzw. die Verfasserin des Artikels ergänzte den reißerischen Titel mit der Geschichte der ewigen Mär des „Gender Pay Gap“. Abermals wurde der Versuch unternommen, mit dem unbereinigten statistischen Wert von 21%, gezielte Desinformation zu betreiben. Diese Statistik vergleicht jedoch die Hausfrau in Teilzeit mit dem Manager, nicht jedoch Frauen mit gleicher Qualifikation mit Männern gleicher Qualifikation (siehe bereinigter „Gender Pay Gap“, der bei Hinzunahme von gleichem Alter, gleichem Abschluss, gleichem Arbeitgeber und gleicher Berufserfahrung, also zwei komplett identischen Kandidaten mit lediglich unterschiedlichen Geschlechtern, unter 2% beträgt, die auf statistische Ungenauigkeiten und die selbstbewusstere Verhandlungsführung männlicher Bewerber in Gehaltsverhandlungen zurückzuführen sind). An dieser Stelle sei die simple Frage erlaubt: Kann man denn berechtigte Interessen heutzutage nicht einfach wieder mit sachlich fundierten Argumenten vernünftig ausdiskutieren? Ist die Diskussionskultur in Deutschland denn mittlerweile wirklich derart abgestürzt, dass jedes Thema durch populistische Dramaturgien künstlich aufgehübscht werden muss? Nein! Wer am lautesten schreit, hat eben nicht immer Recht und wenn man Unwahrheiten immer aufs Neue wiederholt, werden diese auch nicht automatisch wahr.
Es wird sich kein exaktes Datum festlegen lassen, wann in Deutschland der seriöse Journalismus zu Grabe getragen wurde und man sich seiner statt den reißerischen Überschriften, Clickbait und teilweise billigster Polemik zugewandt hat. Es war vermutlich ein schleichender und schmerzhafter Prozess.
Ein gleiches Maß an Einsatz wäre im Übrigen u.a. bei Themen wie der Schaumweinsteuer, welche 1902 von Kaiser Wilhelm II. zur Finanzierung der kaiserlichen Kriegsflotte eingeführt wurde und bis heute fortbesteht, wünschenswert. Diese Themen lassen sich jedoch vermutlich schlechter unter dem Deckmantel des Sexismus vermarkten und sind daher offenbar nicht interessant genug.
Überdies soll an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob die Preise für Damenhygieneprodukte durch deren Hersteller im Falle der Einstufung mit dem ermäßigten Steuersatz tatsächlich um die Differenz von 12% gesenkt werden und diese Vergünstigung somit an den Endverbraucher weitergegeben wird. Es ist denkbar, dass die Hersteller die Preise unverändert lassen und sich durch die Herabsetzung von 19% auf 7% einer 12% höheren Marge erfreuen. Große Fast-Food-Ketten passen den Preis auch nicht an, wenn man „zum Mitnehmen“ sagt, obwohl sie dann 7% Umsatzsteuer für die „to go“ – Leistung anstatt 19% Umsatzsteuer für die restaurantähnliche Bewirtung („zum hier essen“) abführen müssen. Der Preis für den Kunden bleibt davon unberührt, obwohl das „to go“ – Produkt, aufgrund der niedrigeren enthaltenen Steuer, prinzipiell 12% günstiger angeboten werden könnte.
Kurz zusammengefasst: Ein durchaus berechtigtes Interesse wird durch populistische Kommunikation und Clickbait fachlich inkorrekt dargestellt. Selbstverständlich sollten Damenhygieneartikel als „Dinge des täglichen Gebrauchs“ in den Katalog des ermäßigten Steuersatzes des § 12 Abs. 2 UStG aufgenommen werden – das macht den Regelsteuersatz von 19% Umsatzsteuer jedoch trotzdem nicht zu einer „Luxussteuer“. Eine Rückkehr auf ein journalistisches Mindestmaß an Qualität wäre wünschenswert.